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Workshop: Unzeitige Zeitgenossenschaft

Annette von Droste-Hülshoffs Texte im literarischen Feld des frühen 19. Jahrhunderts

27.11.2021, Münster
 

 

 

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Am Ende der Kunstperiode sieht sich die Literatur zunehmend vor die Herausforderung gestellt, eine Standort- und Funktionsbestimmung in Abgrenzung von klassischen und romantischen Literaturprogrammen vorzunehmen. Am augenfälligsten vollzieht sich der Bruch mit Vorstellungen des Idealen und Absoluten in der operativen Literatur, die sich als eingreifender Gegendiskurs versteht. Die Radikalität, mit der die Literatur des Vormärz das Romantische distanziert, kann man allerdings im Verdacht haben, sehr rhetorisch zu sein, und tatsächlich betont die neuere Forschung weniger den Gegensatz zwischen poetischer und operativer Kunst, als dass sie den Blick auf Gemeinsamkeiten zwischen Romantik und Realismus (Saul/Göttsche 2013), zwischen Romantik und Vormärz (Bunzel/Stein/Vaßen 2003) lenkt. Dabei erscheinen jene Autor/innen, die literaturgeschichtlich keiner der großen Stil- und Diskursformationen zuzurechnen sind, in einem neuen Licht. Zwar teilen sie das Bewusstsein vom Ende der Kunstperiode mit den Vormärzlern, leiten daraus allerdings keinen operativ- funktionalistischen Literaturbegriff ab.

Angelpunkt des Workshops soll das Schaffen von Annette von Droste-Hülshoff bilden, das in seiner ästhetischen Ambiguität zwischen Tradition und Innovation, Distanzierung und reger Teilnahme am (literarischen) Zeitgeschehen Diskussionsraum für Perspektivverschiebungen bietet und durch die Ko-Lektüre von Autor/innen, die sonst selten zusammengebracht werden, erhellt werden soll. Denn vor dem gezeichneten literaturgeschichtlichen Hintergrund stellt sich die Frage, ob man die Etikettierung von Droste-Hülshoff und Zeitgenoss/innen wie Büchner, Grabbe, Heine, Mörike, Lewald u. a. als epochale Ausnahmeerscheinungen beibehalten soll, oder ob man das literaturgeschichtliche Denkmodell zugunsten synchroner, feldtheoretischer Konzepte hinter sich lässt und die Texte der Autor/innen in neue, ungewohnte Konfigurationen bringt. Vergleiche und Ko- Lektüren von Droste und anderen als unzeitig wahrgenommenen Autor/innen entlang folgender Fragestellungen sind denkbar, allerdings nicht darauf beschränkt:

  • Angenommen, die Schwächung idealistischen Denkens würde als unabweisbar empfunden, der Zugriff auf ‚Realität‘ wäre jedoch noch nicht konzeptualisierbar – wie ließe sich ein angemessenes Verständnis von Dichtung formulieren, worauf würde es Wert legen, welche neuen Themen rückten in den Blick?
  • Welchen Stellenwert nimmt der Bezug auf Wirklichkeit bzw. die zeitgenössische Gegenwart im künstlerischen Selbstverständnis der Autor/innen ein? Welche Themen und ästhetischen Verfahren werden aus der Wirklichkeitsorientierung generiert?
  • Welche Rolle spielt das Politische, wenn es nicht prominentes Thema der Literatur ist oder in der Auseinandersetzung mit der Zensur ausagiert wird?
  • Welche Modelle von Autorschaft werden an den Rändern des literarischen Feldes erprobt? Wie verhalten sich die Autor/innen zu den Entwicklungen des Literaturmarktes Welchen Stellenwert nehmen autonomieästhetische Kategorien (Genialität, Originalität usw.) dabei ein? Lassen sich im Sinne von Bourdieu Korrespondenzen zwischen ästhetisch randständigen Positionen und biografischen Dispositionen geltend machen?
  • Welche zeitlichen und literatur-/geschichtlichen Modelle (Post- /Historismus, Geopoetik etc.) werden angesichts der Vorstellung vom ‚Ende der Kunst‘ aufgeboten?
  • Welche Bedeutung kommt der sinnlichen Wahrnehmung und dem Körper zu, wie können Geschlecht und Gewalt semantisiert werden?

Der in Verbindung mit der Droste-Forschungsstelle der LWL-Literaturkommission für Westfalen und der Annette-von-Droste-Gesellschaft konzipierte Workshop findet am 27.11.2021 an der WWU Münster statt und ist als Präsenzveranstaltung geplant. Eine finanzielle Unterstützung der Reise- und Aufenthaltskosten ist vorgesehen. Interessierte Nachwuchswissenschaftler/innen sind herzlich eingeladen, Abstracts zu einem Vortrag von 30min zusammen mit einer kurzen biografischen Notiz bis zum 04. Juli 2021 an folgende Adresse zu schicken:

irene.husser@uni-muenster.de

Eine Veröffentlichung der Beiträge im nächsten Droste-Jahrbuch ist geplant.

 

© Irene Husser. CFP: Workshop: Unzeitige Zeitgenossenschaft. Annette von Droste-Hülshoffs Texte im literarischen Feld des frühen 19. Jahrhunderts, Münster (04.07.2021). H-Germanistik. 05-27-2021. https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/7775315/cfp-workshop-unzeitige-zeitgenossenschaft-annette-von-droste Licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.